Was einen nervt, muss man eigentlich sofort immer ändern  Klüngelvisite statt Klinikstress? 

Wie Dr. Christian Becker den Arztberuf neu denkt 

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Heilung statt Systemflucht. Wie Dr. Christian Becker mit MUX Medizin neu denkt


Viele Ärztinnen und Ärzte kennen das Gefühl, im Klinikalltag zwischen Zeitdruck und Routinen die Verbindung zum eigentlichen Sinn des Berufs zu verlieren. Dr. Christian Becker, Internist und Hausarzt aus Starnberg, hat für sich einen neuen Weg gefunden. Statt sich weiter durch ein System zu quälen, das wenig Raum für echte Begegnung lässt, hat er etwas Eigenes aufgebaut. In unserem Gespräch erzählt er, wie daraus ein Gesundheitszentrum entstanden ist, das moderne Medizin, digitale Werkzeuge und menschliche Nähe miteinander verbindet.


Vom Uniklinikum in die Unternehmensberatung

Christian Becker hat in Heidelberg Medizin studiert und geforscht. Schon früh war ihm klar, dass der klassische Klinikweg für ihn nicht passt. Die Forschung an einem winzigen Modellorganismus, dem Fadenwurm, entfernte ihn zunehmend vom Patientenbett. Was zählte, war wissenschaftliche Karriere, nicht der Mensch. Auf einer Fachkonferenz in Los Angeles wurde ihm endgültig klar, dass es so nicht weitergeht.


Er wechselte in die Unternehmensberatung, sammelte internationale Erfahrungen und gründete unter anderem in den USA eine Plattform für multiperspektivische Nachrichten. Genau diese Idee, verschiedene Blickwinkel zusammenzubringen, wurde zur Grundlage für sein späteres Modell in der Medizin. Denn Gesundheit ist selten nur körperlich, sie hat auch seelische, soziale und manchmal spirituelle Dimensionen.

MUX – Ein Netzwerk für individuelle Heilungspfade


In Starnberg gründete Becker gemeinsam mit seiner Frau das Gesundheitszentrum MUX. Der Name steht für Medical United Experts. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten nicht nur medizinisch, sondern ganzheitlich zu begleiten. Je nach Fragestellung werden passende Expertinnen und Experten aus einem internationalen Netzwerk einbezogen. Das können neben Onkologinnen oder Endokrinologen auch Psychotherapeutinnen, Ernährungsberater, Palliativmediziner oder sogar buddhistische Mönche sein.


Der Fokus liegt auf komplexen Fällen und dem Wunsch nach individueller Begleitung. Patientinnen entscheiden selbst, ob sie rein ärztlich begleitet werden möchten oder zusätzliche Perspektiven einbeziehen wollen. MUX fungiert dabei als Plattform und Koordinator, nicht als klassisches Versorgungszentrum.

Technologie als Mittel zur Zusammenarbeit


Besonders interessant ist, wie Becker digitale Tools einsetzt, um seine Arbeit effizienter und gleichzeitig tiefer zu gestalten. Die Kommunikation zwischen den beteiligten Expertinnen findet über eine gesicherte, messengergestützte Plattform statt. Alle Beteiligten, inklusive der Patientin oder des Patienten, können in Echtzeit mitverfolgen, was passiert, Fragen stellen und Impulse geben. Die Wissenssilos klassischer medizinischer Fachgrenzen werden so aufgebrochen.


Auch Künstliche Intelligenz spielt dabei eine Rolle. Anonymisierte medizinische Fragestellungen werden teilweise über ein KI-System wie ChatGPT reflektiert. Für Becker ist das kein Ersatz für ärztliche Entscheidung, sondern ein Gesprächsanstoß. Er beschreibt, wie er gemeinsam mit seinen Patientinnen neue Sichtweisen entwickelt und dadurch Diskussionen öffnet, die sonst vielleicht nicht geführt worden wären.

Die Klüngelvisite. Zurück zur echten Begegnung


Ein Begriff, der im Gespräch immer wieder fällt, ist die Klüngelvisite. Gemeint ist ein bewusstes Wiederbeleben einer fast vergessenen Praxis. Abends, nach der offiziellen Visite, besucht Becker einzelne Patientinnen noch einmal. Ohne konkreten Auftrag, ohne Leistungsziffer, einfach nur zum Reden. Manchmal setzt er sich ans Bett, manchmal geht es nur um ein kurzes Gespräch über Gott und die Welt. Dabei entstehen häufig die Momente, die für echte Heilung entscheidend sind.


Diese Visiten sind für Becker nicht nur menschlich wertvoll, sie liefern oft auch wichtige medizinische Hinweise, die in der strukturierten Tagesroutine untergehen würden. Er beschreibt sie als Quelle persönlicher Resilienz  und als Erinnerung daran, warum er Arzt geworden ist.


Warum Heilung oft nicht belohnt wird


Becker spricht offen über die strukturellen Probleme im Gesundheitssystem. Heilung wird nicht vergütet, Gespräche oft nur am Rande. Stattdessen zählen Fallzahlen, Effizienz und Umsatz. Modelle wie Value-Based Healthcare könnten hier eine neue Richtung zeigen. Dort wird nicht der Prozess, sondern das Ergebnis belohnt. Der Patient steht im Mittelpunkt, gemessen wird zum Beispiel, ob Schmerzen zurückgegangen sind oder sich die Lebensqualität verbessert hat. Aus Beckers Sicht wäre das ein sinnvoller Weg, um Medizin wieder näher an ihre eigentliche Aufgabe zu bringen.


Digitale Anamnese als praktisches Werkzeug


Neben den großen Konzepten setzt Becker auch im Alltag auf pragmatische digitale Lösungen. Besonders hilfreich findet er die digitale Anamnese. Patientinnen füllen zu Hause in Ruhe strukturierte Fragebögen aus, die dann in der Sprechstunde als Grundlage dienen. Das spart Zeit, schafft Tiefe und erlaubt oft ehrlichere Antworten als unter Zeitdruck in der Praxis. Für ihn ist das ein Beispiel, wie Technologie helfen kann, die Beziehungsqualität sogar zu verbessern.


Wie Veränderung bei Patientinnen überhaupt entsteht


Verhalten zu verändern ist schwer. Viele Menschen leben mit chronischen Erkrankungen, aber ohne echtes Problembewusstsein. Diabetes Typ 2 ist dafür ein klassisches Beispiel. Aus Beckers Sicht braucht es für Veränderung entweder große Schmerzen oder große Ziele. Leider warten viele mit der Umstellung, bis der Herzinfarkt schon passiert ist. Deshalb versucht er, gemeinsam mit seinen Patientinnen erreichbare Ziele zu formulieren, die motivieren,  statt nur Risiken zu betonen.


Er wünscht sich, dass Ärztinnen und Ärzte mutiger werden, konkrete Angebote zu machen. Das kann eine spezielle Lebensstilsprechstunde sein oder auch ein strukturiertes digitales Coaching, das sich aus der Sprechstunde heraus anstößt. Wichtig sei vor allem, den Willen zur Veränderung nicht vorschnell zu unterschätzen. Oft fehle den Menschen nicht die Motivation, sondern das passende Angebot.


Keine Gegensätze zwischen Mensch und Technik


Was aus dem gesamten Gespräch bleibt, ist ein klares Bild. Für Christian Becker gehören Empathie, Technologie, Spiritualität, Wissenschaft und Pragmatismus zusammen. Es geht nicht um die Entscheidung zwischen Technik oder Mensch, sondern um kluge Verbindungen. Seine Arbeit zeigt, wie viel möglich ist, wenn man den Mut hat, Strukturen zu hinterfragen und sich wieder an das zu erinnern, was Medizin einmal ausgemacht hat.


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